Die Mafia - La Mafia
In Kürze:
In
den USA wird die Bezeichnung Mafia für verschiedene Formen des „organisierten
Verbrechens“ gebraucht. Eine Verbindung zur sizilianischen Mafia ergibt sich
aus den wenig erfolgreichen Versuchen der italienischen Behörden am Ende des
19. Jahrhunderts und zur Zeit des Faschismus, die Mafia zu zerschlagen. Eine
dieser Aktionen (1892) hatte zur Folge, daß viele
Mafiosi in die USA auswanderten, wo sie sich mit Kriminellen anderer
Nationalitäten verbanden. Die so entstandenen „Verbrechenssyndikate“
besorgten illegale Güter und Dienstleistungen, nach denen eine starke
Nachfrage bestand (z. B. Alkohol in der Zeit der Prohibition). Nach dem 2.
Weltkrieg entwickelte sich das organisierte Verbrechen zu einem
weitverzweigten System, das zum Teil auch legale Aktivitäten in Politik,
Verwaltung, Wirtschaft und Gewerkschaften entfaltete. In Deutschland und im
sonstigen Europa liegen Schwerpunkte des organisierten Verbrechens in der
Rauschgiftkriminalität, in der Kraftfahrzeug-Verschiebung sowie in illegalem
Handel mit Waffen und Sprengstoff. Der Grundsatz der unbedingten Selbsthilfe
unter Ausschaltung jeder öffentlichen Gewalt ließ die Mafia mehr und mehr
unter den Einfluss verbrecherischer Elemente geraten, so dass sie in ihrer
heutigen Form eine Verbrecherorganisation darstellt. In den USA, wo die Mafia
erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts auftrat, übt sie ihre illegale
Tätigkeit hauptsächlich auf dem Gebiet des Glückspiels, der Prostitution
sowie des Rauschgifthandels und der Kontrolle großer Märkte aus. |
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aber auch: |
Tansanische Koralleninsel im Indischen Ozean, 434 km², 17.000 Einwohner; Hauptort Kilindoni.
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Der Mythos: |
Al Capone kam am 17. Januar 1899 in Neapel zur
Welt. Er erhielt den Rufnamen Alphonse oder Alfonso, von dem das Kürzel “Al”
abstammt. Seine armen Eltern wanderten in die USA aus. So
verbrachte Capone seine Jugendjahre in den Slums von New York, im Italiener-Viertel
von Brooklyn. Hier lernte er auch die Auseinandersetzungen der jugendlichen “street gangs” kennen. Nachdem
Capone im Jahre 1920 nach Chicago gegangen war, schloss er sich der Bande von
John “The Fox” Torrio an. Nach einem Job als
“Rausschmeißer” wurde er Torrios Leibwächter.
Aufgrund seiner Fähigkeit, sich von Führern und älteren Gangstern protegieren
zu lassen, stieg er im organisierten Verbrechen schnell auf und wurde zu
einem wichtigen Berater Torrios. Dessen Bande bediente sich verschiedener Gewinnquellen.
Sie engagierte sich sowohl in der Prostitution und der Organisation des
Glücksspiels als auch in dem Betrieb von illegalen Schenken – “speak-easies” genannt – zur Zeit der Prohibition, also
des Alkoholverbots in den USA. Eine besondere Technik der Erpressung und der
Machtausübung war die erzwungene Inanspruchnahme des Schutzes dieser Bande. Torrio floh vor den blutigen Bandenkriegen aus Chicago
nach Italien. Capone wurde sein Nachfolger und beherrschte seit 1925 die
organisierte Kriminalität in Chicago. Da Capone in seiner Jugend bei einem
Messerkampf an der Wange verwundet worden war, erhielt er den Spitznamen “Scarface” – was das “Narbengesicht” bedeutet. Die
Streitigkeiten zwischen den rivalisierenden Banden konnten auch durch
Verhandlungen ihrer Führer nicht beigelegt werden. So schaltete Capone die
Bosse der konkurrierenden Gangs in dem Massaker vom St. Valentinstag 1929 aus
und beherrschte damit das Verbrechen in Chicago allein. Allerdings erregte
das Massaker auch die Öffentlichkeit, und die Polizei wurde zu einem
drastischeren Eingreifen gezwungen. Capone, der sich danach angeblich aus
seinen kriminellen Geschäften zurückziehen wollte, wurde in Atlantic City wegen unerlaubten Waffenbesitzes verhaftet.
Während seiner einjährigen Gefängnisstrafe hatten Strafverfolger die
Möglichkeit, seine Geschäftsbücher zu überprüfen. Zwar wurde er Ende der
1920´er Jahre auch der Mitwirkung an zahlreichen brutalen Bandenmorden
beschuldigt, es konnten ihm aber 1931 nur Steuerdelikte nachgewiesen werden.
In diesem Zusammenhang brachte es auch Eliot Ness zu einer historischen
Berühmtheit. Er trug mit seinen Helfern, den sogenannten “Untouchables”
(Unberührbaren), deren Bezeichnung auch vielen Filmen den Titel gab, dazu
bei, Al Capone zu inhaftieren. Capone wurde zu einer elfjährigen Haftstrafe
verurteilt. Da er sein erstes Gefängnis in Atlanta mit seinen
Bandenmitgliedern und bestochenen Wärtern kontrolliert hatte, wurde er auf
die Gefängnisinsel Alcatraz bei San Francisco
gebracht. |
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Georg Seeßlen: |
Der Filmhistoriker analysiert am Beispiel von Al
Capone den Mythos vom “selfmade man”, der durch
seine Geschicklichkeit und Rücksichtslosigkeit mit sozialem und
wirtschaftlichem Aufstieg belohnt wird: “Der Mythos Capone lebt von dem
Kontrast zwischen realer Anarchie und angestrebter Anpassung; hätte man
seinen Erfolg sanktioniert, Capone wäre ein ‘guter Amerikaner’ geworden. Und
‘gute Amerikaner’ zu werden, nur mit ein wenig Erfolg, ein wenig Freiheit, dieser
Wunsch mag auch die Zeitungsleser und Kinobesucher beseelt haben”. Diese
sozialpsychologischen und gesellschaftlichen Aspekte erklären auch die
Bedeutung Capones als populäre Gangster-Gestalt, die für viele Kinofilme als
Vorbild diente. Zu dem Stolz, ein amerikanischer Bürger zu sein, was Capone
immer wieder betonte, kommen seine Gewaltausbrüche und seine dramatisch
überladene Selbstinszenierung, die die filmischen Darstellungen inspirierten. So zitieren viele Filme die Narbe Capones als ein
Stigma, als einen bildlichen Hinweis auf seine psychische Deformation.
Außerdem benutzen viele Filme Capones Biographie, um die Geschichte vom
Aufstieg und Fall eines Bandenbosses – gleichsam als Modell des Gangstertums
– zu erzählen oder jedenfalls einzelne historische Ereignisse herauszulösen
und vorzustellen. |
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Filme: |
Als wichtige derart charakterisierte Filme können
aufgeführt werden: “The Little
Caesar” (1930), Regie Mervyn
LeRoy “The Secret
Six” (1931), Regie: George Hill “Scarface –
Shame of a Nation” (1932), Regie: Howard Hawks “Lady Scarface”
(1941), Regie: Frank Woodruff “The Gangster”
(1947), Regie: Gordon Viles “The Undercover
Man” (1949), Regie: Joseph H. Lewis “Party Girl”
(1958), Regie: Nicholas Ray “The Untouchables”, auch
unter dem Titel “The Scarface Mob” (1958), Regie:
Phil Karlson “Some like it
Hot” (1959), Regie: Billy Wilder “Al Capone” (1959), Regie: Richard Vilson “The Untouchables – Die
Unbestechlichen” (1957), Regie: Brian Palma. |
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Literatur- hinweise |
“Al Capone” in: H.-G. Kellner, J.M. Thie, M. Zurhorst, “Der Gangster-Film. Regisseure, Stars, Autoren, Spezialisten, Themen und Filme von A-Z” (= Enzyklopädie des populären Films, hrsg. von B. Roloff und G. Seeßlen, Bd. 8), München 1977, S. 61-66 “Eine bürgerliche Organisation von
Banditen: Die Mafia und Gang Al Capone”, in Georg Seeßlen, “Der Asphalt-Dschungel. Geschichte und Mythologie
des Gangster-Films” (= Grundlagen des populären Films, Bd. 3), Reinbek 1980,
S. 83-85 J. Kobler, “Al Capone. Sein Leben, seine (Un)taten, seine Zeit”, München (Scherz-Verlag) 1971. |
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Nachfolgender Beiträge zur MAFIA wurden teilweise
von den Uni`s in Würzburg und Saarland
veröffentlicht und für deren Überlassung wir uns recht herzlich bedanken
möchten. http://www.uni-saarland.de/~gg14rhah/lexikon/mafia/mafia.htm |
1. |
Warum interessiert uns die Mafia? |
Seit der Maueröffnung 1989 berichten Zeitungen,
Rundfunk und Fernsehen fast täglich von Verbrechen, die mit der organisierten
Kriminalität in Verbindung gebracht werden. Der Präsident des
Bundeskriminalamtes, Heinz-Ludwig Zachert, hat erst jungst
Berlin als "Ballungszentrum für die Großkriminalität" bezeichnet:
Vietnamesische Zigarettenschmuggler, polnische Autoschieber, russische
Glücksspielbanden und Drogenkuriere aus aller Herren Länder haben Berlin zu
ihrem Hauptquartier gemacht. 1991 wurden im gesamten Bundesgebiet 104.938
Einzelstraftaten der organisierten Kriminalität zugeschrieben. Vor allem aus
dem Osten Europas fluten kriminelle Banden in den Westen ein, weil sie hier
ihre Absatzmärkte finden. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll zu
erörtern, ob der Begriff Mafia zur Beschreibung dieser kriminellen Banden,
Syndikate und Kartelle taugt, oder ob er, weil er sich von Methoden und
Strukturen der "klassischen" Mafia Süditaliens unterscheidet,
ersetzt werden sollte. Zur Klärung dieser Frage soll dieser Artikel
beitragen. Er untersucht zunächst die geschichtliche Entwicklung der Mafia
auf Sizilien, um dann die momentane Situation der Kriminalität in Russland zu
erörtern. Die Formen der russischen organisierten Kriminalität zeigen nämlich
interessante Parallelen zu den Entstehungsbedingungen der italienischen Mafia. |
2. |
Begriff: |
Erst seit Mitte der 80-erJahre wissen wir mehr
über die internen Strukturen der Mafia, die komplizierten Sozialbeziehungen
und das psychosoziale Klima in den Mafia-Clans. Das italienische
Anti-Mafia-Gesetz (1982) und damit die konsequente Anwendung der
Kronzeugenregelung in Mafia-Prozessen sowie die Arbeit verschiedener
Bürgerinitiativen haben unser Wissen vertieft. Seitdem erahnen wir, wie weit
der tatsächliche Einfluss der Mafia in Staat, Politik, Wirtschaft, Kultur und
Sozialgefüge reicht. Augenfällig ist, dass die Mafia in den letzten 50 Jahren
im Kern ihre alten Sozialstrukturen beibehalten hat. Mafiöses
Verhalten reicht weit in mittelalterlich-feudale Sozialtraditionen
Süditaliens zurück. Sie sind vor allem durch soziale Immobilität,
wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit sowie eine eigentümliche
Auffassung von Pflichtgehorsam und Verschwiegenheit geprägt. Daher ist gerade
der Zwangscharakter, den die Mitgliedschaft in der Mafia ausdrückt, ohne
Kenntnis dieser sozialgeschichtlichen und mentalen Wurzeln kaum zu verstehen.
Dies gilt auch für die nur scheinbar paradoxe Tatsache, dass sich zahlreiche
Mafiosi stets als Teil der Gesellschaft begriffen. Sie bezeichneten sich
selbst als Uomini d´onore,
Männer von Ehre. Es ist für die Mafia keine einheitliche
Begriffsbildung erkennbar. Im Sinne eines pragmatischen Zugriffs soll deshalb
zunächst die historische Entwicklung auf Sizilien, dem Kernland der Mafia, untersucht
werden. Der Vergleich mit außersizilianischen Verbrechensorganisationen wird
es schließlich möglich machen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. |
3. |
… |
Die Mafia als historisches Phänomen: |
|
Anfänge auf Sizilien: |
Die Ursprünge der Mafia liegen naturgemäß im
Dunkeln. Erstmals schriftlich nachgewiesen ist das Wort mafiusi
im Titel einer Dialektkomödie ("I mafiusi
della Vicaria"), die um 1860 verfasst wurde
und in welcher die angeseheneren Häftlinge eines Gefängnisses als mafiusi angeredet werden. 1865 verwendet die italienische
Strafverfolgung den Begriff zur Kennzeichnung von Verbrechern. Bereits 1875
ist "Mafia" eine in fast allen Sprachen Europas geläufige
Bezeichnung für Kriminelle, ohne dass ihnen bestimmte Merkmale zugeordnet
werden. |
3.2 |
Der Auf- stieg der Gabellutti: |
Die Entstehung der Mafia reflektiert die sozialen
Umwälzungen des sizilianischen Feudalismus während der italienischen
Nationalstaatsgründung. Die adeligen Latifundienbesitzer
Westsiziliens, deren wichtigstes Herrschaftsinstrument, die Leibeigenschaft
der Bauern auf ihren Besitzungen, nominell aufgehoben wurde, vergaben fortan
ihre Ländereien zur Pacht an Verwalter. Diese Gabellutti,
was ursprünglich Steuereintreiber bedeutet, wuchsen nach und nach in eine
Mittelposition hinein: Sie verpachteten das Land an die ansässigen Bauern,
die weiterhin arm und faktisch sozial gebunden waren, und verlangten von
diesen horrende Bodenzinse. Mit der Zeit wurden die Landbarone von den Gabelluti entmachtet. Diese eigneten sich die
Herrschaftsrechte des Adels an, wie Polizeiaufgaben und Gerichtsbarkeit, und
sie nutzten staatliche Vorrechte für ihre eigenen Zwecke. Zudem stellten die Gabelutti bald auch Schutztruppen für ihre Ländereien
auf. Als sich zeigte, dass der italienische Staat mit seinem Gewaltmonopol
die Lücken, die das alte Feudalsystem hinterlassen hatte, nicht schließen
konnte, waren die Gabellutti in einer ungeheuer
starken Position. Dies entsprach freilich nicht ihrer sozialen Herkunft. Die Gabellutti waren nämlich vielfach Viehmakler, Händler
oder kleine Landbesitzer und entstammten sozial und wirtschaftlich
heterogenen Unterschichten. Als ungebildete Analphabeten, die sie oft waren,
wurden sie von den bürgerlichen Schichten und vom Adel gemieden. |
3.3 |
Mafia und staatliche Ordnung |
Die sozial und machtpolitisch gestärkten Gabellutti schlossen sich um die Mitte des 19.
Jahrhunderts zu Selbsthilfeorganisationen zusammen, deren Ziel es war, den
ohnehin schwachen Stand, den der italienische Staat im Süden des Landes
hatte, weiter zu unterhöhlen. Die Eingriffe der Regierung aus Rom sollten
bewusst behindert werden, um die eigene Macht zu sichern. Die Truppen der Gabellutti stellten in vielen Regionen Süditaliens die einzige wirkliche Autoritt
dar. Auch boten sie den wirksamsten Schutz vor Übergriffen räuberischer
Banden, den sogenannten Briganten, die in Süditalien recht häufig waren.
Diesen Schutz ließen sich die Mafiusi sowohl von
den Bauern als auch vom Landadel bezahlen: Das Pizzu
(Schutzgeld) war geboren. Die Abhängigkeit der unterdrückten Bauernschaft
lässt sich in mancher Hinsicht mit dem antiken Sozialmodell der Klienteln vergleichen: In diesem Rechtsverhältnis war für
eine bürgerliche Staatsordnung kein Raum. Mit der Übernahme von Teilen des staatlichen
Gewaltmonopols war die Macht faktisch auf die Gabellutti
übergegangen. Diesen Prozess empfanden sie durchaus nicht als illegalen Akt,
sondern als Anerkennung ihres gewonnenen sozialen Prestiges. Auch in der
Bevölkerung wurde diese Auffassung geteilt, so dass sich die subkulturelle
"Volksmoral" starker als die offiziellen Moral entpuppte: Die
Sizilianer nannten die Mafia “Onorata sozieta“, ehrenwerte Gesellschaft. |
3.4 |
Die Mafia im späten 19. Jahrhundert: |
Mit der Ausweitung des Zensuswahlrechts zum
allgemeinen Wahlrecht 1881-1913 drang die Mafia auch in den Bereich der
Politik vor. Die Auflösung des Klassenwahlrechts bedeutete, dass viele
konservative Abgeordnete in Rom fürchteten, ihr Mandat an einen sozialrevolutionären
Gegenkandidaten zu verlieren. Die Mafia sorgte unter diesen Umständen für
Abhilfe: Sie beschaffte, in enger Zusammenarbeit mit dem süditalienischen
Baronat, die notwendigen Stimmen für die konservativen Parlamentarier. Das
hatte drei Konsequenzen: Die Mafia erweiterte ihre Kontrolle über die
sizilianische Landbevölkerung, der sie Schutz für die richtige Stimmabgabe
versprach. Die gewählten Abgeordneten verhinderten im
Parlament Anti-Mafia-Gesetze. Mafia und römische Politik wuchsen enger zusammen,
so dass der Einfluss der Mafia sich nicht mehr auf den agrarischen Süden des
Landes beschränkte. Die Wirksamkeit des Paktes zwischen Mafia und
Politik kann nicht ohne Berücksichtigung der sozialpsychologischen und
mentalitätsspezifischen Hintergründe erklärt werden. Zu ihnen zählt vor allem
die tief in der sizilianischen Bevölkerung verwurzelte Omertà,
die "Schweigepflicht", die als "Bindemittel" nicht nur
Mafia-Clans untereinander, sondern auch Gruppen außerhalb des Mafia-Kerns
eint. |
3.5 |
Süditalie- nischer Exodus nach Nord- amerika |
Gegen die immer stärkeren Belastungen, die die
Mafia der Bevölkerung zumutete, regte sich auf Sizilien und im Mezzogiorno, wo die Urbanisierung kaum vorankam, am
Ausgang des Jahrhunderts vermehrt Widerstand. Der Protest verschmolz,
vereinfachend dargestellt, mit den sozialistischen Bewegungen, die vor allem
die Schuldenlast von Arbeitern und Bauern anprangerten. An diesem Punkt
kooperierten Staat und Mafia miteinander: Schon aus Eigeninteresse bekämpfte
die Mafia die Aufstände der revolutionären Landarbeiter, so dass letztere
sich in die einsetzende Ausreisewelle nach Übersee einreihten, um der
Verfolgung zu entgehen. Für die italienischen Regierungen bedeutete der
Sachverhalt aber, daß die sozialen Konflikte des
ländlichen und kaum industrialisierten Südens entschärft waren. |
3.6 |
Die Mafia im 1. Weltkrieg und während des Faschis- mus: |
Während des 1. Weltkriegs verfestigte sich die
Macht der Uomini d´onore
weiter. Sie organisierten die Versorgung des italienischen Heeres mit
Material und Verpflegung. Auf diese Weise erlangten sie solch ungeheueren Reichtum, dass sie zum Adel aufschlossen. Als nach 1918 der Ruf der Bauern nach
einschneidenden Landreformen ungehört blieb und die italienischen Faschisten
1922 die Macht übernahmen, wechselte die Mafia geschickt die Seiten. Sie
finanzierte die faschistische Partei und beeinflusste süditalienische
Abgeordnete, für Mussolini zu votieren. Der Pakt zwischen Mafia und
Faschisten war freilich labil. Mussolini schickte Cesare Mori als Präfekten
nach Palermo, der entschlossen gegen die Mafiusi
vorgehen sollte. Es gelang Mori aber nur zeitweilig, den Einfluss der Mafia
in der süditalienischen Politik zu verringern. Zu stark waren die
Verbindungen, die die Mafia bereits geschaffen hatte. In den folgenden Jahren
scheint ein Interessensausgleich zwischen beiden Parteien deren
spannungsreiches Verhältnis geklärt zu haben. Die Legende, dass die
Faschisten die Mafia bis 1943 konsequent ausgemerzt hätten, wurde erst in den
80er Jahren durch intensive Nachforschungen richtig gestellt. |
3.7 |
Die USA und die Mafia im 2. Weltkrieg: |
Während des Faschismus hatte die Mafia vielfach
Grundbesitz aus Adelshand übernommen. Ihrem Charakter nach stand sie voll in
der Blüte ihrer agrarisch-feudalen Macht. Sie kontrollierte ungestört das
Geschehen auf dem Land. Da auch im 2. Weltkrieg die Strukturen der Mafia
intakt geblieben waren, war sie der erste Ansprechpartner für den amerikanischen
Geheimdienst OSS, als die USA 1943 die Landung der Alliierten in Süditalien
vorbereiteten. Die Verfolgungen der Mafia unter den Faschisten machten sie in
den Augen der Amerikaner zu einem vertrauenswürdigen Partner. Die Mafia stellte eigene Infrastrukturen bereit,
übernahm Geheimdienstaufgaben und arbeitete so erfolgreich mit den Alliierten
zusammen, dass sie nach Kriegsende mit der kommunalen Verwaltung Siziliens
betraut wurde. Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Entscheidung des
römischen Parlaments nieder, Sizilien 1946 ein Autonomiestatut zu gewähren,
das die zentralstaatlichen Eingriffe auf der Insel beschrankte. Man kann
dieses Statut als Sieg des sizilianischen "Eigenwillens" verstehen,
aber auch als Anerkennung der Macht der Mafia. Ohne sie als
Entscheidungsinstanz lief in Süditalien nichts mehr. |
3.8 |
Die Mafia zwischen 1945 und 1982: |
a) Strukturverschiebungen: Politisierung und
Internationalisierung. In den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg verschob
die Mafia ihren politischen Schwerpunkt endgültig von Sizilien nach Italien.
Sie lehnte sich sehr bald an die christliche Koalitionsbewegung DC an, woraus
sich auch eine Verschiebung der mafiösen
Aktivitäten ergab: Die immer stärker werdende Verflechtung von Politikern und
Mafiusi zeigte sich u.a. darin, dass beide Gruppen
nahezu autonom über die Regionalpolitik verfügten, ohne Dritte einzuschalten.
Infrastrukturelle, städtebauliche oder industriepolitische Maßnahmen wurden
ohne Mitwirken von Interessensverbänden und Kommunalverwaltung entschieden.
Dies brachte eine intensive Politisierung der Mafia. Zu der gehörte auch,
dass die Mafia ihren ländlich - feudalen Charakter
ablegte. So konnte sie Anschluss an die Urbanisierung und Industrialisierung
Süditaliens gewinnen. Sie trat vermehrt als Unternehmer auf, wobei kriminelle
Praktiken der Cosa nostra, die von italienischen
Ausgewanderten in den USA gegründet worden war, in die sizilianischen
Mafia-Clans einsickerten. Neu für das Verhalten der Mafia war auch eine
Ausweitung ihrer "Geschäfte" auf den gesamten Erdball. So übernahm
sie u.a. den Heroinhandel der French Connection. Kritische Beobachter haben
eine Verbindung zum amerikanischen Geheimdienst hergestellt, der gehofft
habe, durch eine Gewinnbeteiligung am Heroinumsatz den Vietnamkrieg
mitzufinanzieren (R. Uesseler). Jedenfalls wandelte
sich die Mafia nach dem 2. Weltkrieg vom quasi-feudalen Selbsthilfeverband
zum illegalen Verbrechenskartell mit internationalen Verbindungen, wobei die
spezifischen sozialpsychologischen und mentalen Elemente der ursprünglichen
Mafia nicht sofort verschwanden. b) Hochfinanz und politische Verfilzung Die Beteiligung am Drogenhandel machte es
notwendig, nach neuen Finanzstrukturen zu suchen, da das illegal erworbene
Geld erst reingewaschen werden musste. Auch hier waren die Mafiusi überaus erfolgreich: Ihnen gelang es ohne größere
Schwierigkeiten, ihre Gewinne dem legalen Wirtschaftkreislauf zuzuführen.
Dabei half ihnen der Autonomiestatus für Sizilien aus dem Jahre 1946. Denn
damit waren auch Freiheiten im Kreditwesen verbunden. Die Mafia erreichte
zunächst eine Kontrolle über das sizilianische Geld- und Kreditwesen, von
dort wuchs sie sogar in eine "Oligopolstellung"
(R. Uesseler) der internationalen Hochfinanz ein
und teilte sich fortan mit einigen anderen Bankgruppen die Beherrschung des
europäischen Finanzmarktes. Zugleich wandelte sich das Verhältnis zu Polizei
und Justizbehörden, die durch Schmiergeldzahlungen zum Schweigen animiert
wurden. In ähnlicher Weise verfilzte sich die Mafia mit der italienischen
Politik. Die Korruptionsskandale und politischen Mafiaprozesse verdeutlichen
dies. Der berühmteste Fall ist der Prozess gegen den früheren
Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, der bis heute die Gemüter der Italiener
erregt. Diese Gerichtsverfahren haben erkennen lassen, dass die Mafia durch
die Drogengewinne finanziell zwar unabhängig wurde, aber dennoch des Schutzes
durch korrupte Politiker bedurfte, um weiterhin ungestört agieren zu können. |
3.9 |
Widerstand aus der Bevölkerung: |
Die ersten organisierten Widerstände gegen die
politischen und vor allem kriminellen Praktiken der Mafia lassen sich in den
80-er Jahren beobachten. Die Strafverfolgungsbehörden gingen ab 1982 in die
Offensive. Einen gewissen Wendepunkt brachte dabei das Anti-Mafia-Gesetz von
1982, welches die bloße Zugehörigkeit zur Mafia als Straftatbestand wertete.
Dieses Gesetz und seine Aktualisierungen sowie die Anti-Mafia-Kommission
erlaubten eine effektivere Verfolgung, auch im Bereich der Politik. Darüber
hinaus konnte die italienische Öffentlichkeit durch Geständnisse hoher
Mafia-Bosse wie Tomasso Buscetta in das Innenleben
der Mafia blicken. Der eigentliche Charakter der Mafia und deren Macht (vor
allem in psychologischer Hinsicht) wurde nach und
nach enthüllt. Auch die süditalienische Bevölkerung erwachte aus
ihrer Hilflosigkeit. Viele Experten meinen sogar, dass die
Anti-Mafia-Bewegungen der süditalienischen Bevölkerung, beispielsweise der Associazione Donne Sicilane contro la Mafia, früher am Problem "Mafia"
gerüttelt haben als der Staat. Ähnliches gilt für die 1991 gegründete
Anti-Mafia-Partei La Rete. Da die Mafia nach 1945 immer brutaler vorging, um
Schutzgelder einzutreiben oder sich Konkurrenten vom Hals zu schaffen, und in
den blutigen Mafia-Fehden, den sogenannten Vendette,
auch Kinder der Mafiusi nicht mehr verschont
wurden, ist der Widerstand der Bevölkerung eine durchaus logische Entwicklung
gewesen. Die Mafia reagierte ihrerseits auf die Proteste
und die Verhaftungswellen mit Erpressung und Gewalt: sie schüchterte
Richter und Staatsanwälte ein oder verzögerte Gerichtsverfahren. Besonders
nach den Parlamentswahlen 1992, die der DC, der politischen Schutzmacht der
Mafia, größere Verluste zufügte, starben renommierte Richter wie G. Falcone
und P. Borsellino. Auch Sprengstoffanschläge in Rom, Neapel und auf die
Mailänder Uffizien gingen auf das Konto der in die
Enge getriebenen Mafia. |
4. |
Die Mafia heute: |
Der italienische Staat scheint sich inzwischen
gegenüber der Mafia durchgesetzt zu haben. Die Zeiten der
"Bankrotterklärungen" des 19. Jahrhunderts sind vorbei. 1993 konnte
mit Salvatore Riina einer der mächtigsten Mafia-Bosse verhaftet werden.
Dagegen ist die Entwicklung in anderen europäischen Staaten weniger positiv
zu beurteilen. Dazu später mehr. Zunächst soll die innere Struktur der
italienischen Mafia beschreiben werden. |
5. |
… |
Struktureller Aufbau der Mafia: |
5.1 |
Die Cosca |
In Sizilien gibt es nach jüngeren Untersuchungen
etwa 180-200 “Mafia-Gruppen" (1990), sogenannte Cosche.
Sie stellen weder eine einheitliche Organisation unter einem anerkannten
Oberhaupt dar, noch lässt sich in ihnen Gruppenbewusstsein oder
"Wir-Gefühl" beobachten (H. Hess). Die Cosca
besteht im Kern aus einem Capo (Kopf) oder mehreren freundschaftlich
verbundenen Mafiusi. Von diesem Kern aus verlaufen
mehrere dyadische (Zweier-) Beziehungen zu anderen Personen oder Gruppen. Sie
alle bilden die Corona (Kranz) der verwandtschaftlich oder adoptiv gebundenen Affiliati. Da es keine formellen Initiationsriten gibt,
vermutet man, dass der interne Zusammenhalt der Cosca
auf dem sizilianischen Verständnis von Freundschaft beruht. Diese Form von
Freundschaft hat oft einen informellen Charakter, d.h. sie versteht sich als
"Geheimabsprache", in welcher jede "offizielle Größe",
also auch die Staatsgewalt, ausgeschlossen ist (ähnlich wie bei der Omertà). Die Geschichte Siziliens hat besonders im späten
19. Jahrhundert gezeigt, dass diese subkulturellen Beziehungen viel tiefer
gingen als die neuen Ansprüche des Nationalstaates und der offiziellen
"Staatsmoral". So konnte sich die Mafia am Leben erhalten. |
5.2 |
Der Partito: |
Mit dem Begriff Partito werden
die Kontakte des Mafiuso zu offiziellen
Herrschaftsträgern verstanden. Freisprüche vor Gericht oder Aussetzung des
Strafvollzugs sind auf Sizilien keine Seltenheit. Sie funktionieren aber nur,
wenn der mafiöse Angeklagte über gute Verbindungen
zur Staatsanwaltschaft, zum Polizeipräfekten oder zum Carabiniero
im Ort unterhält. Resultat dieser über Geldgeschenke oder andere
"Dienstleistungen" (beispielsweise Brautwerbungen im Auftrag eines mafiös verbundenen affiliato
o.ä.) erhaltenen Verbindungen ist eine sehr weitreichende Immunität des Mafiuso. |
5.3 |
Die Faktion: |
"Faktion" bezeichnet die Summe aller
Beziehungen, die ein Mafiuso unterhält. Neben Cosca und Partito umfasst die
Faktion die Amici dell`amici,
die Freunde der Freunde. Sie ist ein von Fall zu Fall fluktuierender
Personenkreis, der sich nur vage bestimmen lässt. Die Zughörigkeit zu einer
Faktion eines bestimmten Capo ergibt sich weniger aus der Nähe zu diesem Capo
als vielmehr aus dem gemeinsam erkennbaren Gegner, dem rivalisierenden Mafiuso. |
5.4 |
Die Familie: |
Cosca und Famiglia gelten als
schwer voneinander zu trennende Begriffe. Der Kernbestand einer Cosca scheint in der Regel immer aus familialen
Grundeinheiten zu erwachsen. Blutsverwandtschaft garantiert erst absolute
Verlässlichkeit und Loyalität. Wichtig ist meines Erachtens, dass die aus den
Cosche ableitbaren dezentralen Strukturen (s.o.)
den Wirkungsgrad der Mafia erheblich erhöhen, vor allem bei
Strafverfolgungen: Es werden jeweils nur kleine Teile des Cosca-Netzes
ausgehoben, der Großteil bleibt in der Regel intakt. Wurde ein Capo verhaftet
oder ermordet, treten oft Geschwister oder Ehegatten an dessen Stelle, um die
Geschäfte weiterzuführen. So etwa im Fall der berühmt-berüchtigten Pupetta Maresca. |
5.5 |
Moderne Mafia- strukturen: |
Heute scheinen die Familienverbindungen durch
vertikale Gliederungen einzelner Mafia-Clans ergänzt zu sein. Streng
hierarchisiert Cupola ("Kuppel",
Kommissionen) regeln das Zusammenspiel der einzelnen Cosche.
Eine überprovinziale "Bundespolitik" existiert wohl nicht, jede Cosca handelt in ihrem Territorium autonom. Nur zur
Koordinierung der Geschäfte, etwa um Konkurrenzsituationen beim Heroinverkauf
zu vermeiden, oder als Schiedsgericht tritt die Cupola
auf. |
6. |
Die Mafia in Abgrenzung zu Briganten Cosa nostra, Camorraund ´ Ndrangheta |
Als Mafia im engeren Sinn bezeichnet die Forschung
eine aus dem Sizilianischen hervorgegangene, in das süditalienische,
quasi-feudalistische Sozialgefüge eingebundene Selbsthilfeorganisation.
(Karte Italiens). Sie sticht durch strenge interne Bindungen und einen auf
das ländliche Gebiet zugeschnittenen Aktionsradius hervor. Der Mafiuso setzt seine eigene Ordnung gegen die des Staates,
empfindet sein Handeln gleichwohl als legal, vor allem dort, wo der Staat
versagt hat.Die Forschung versucht seit Jahren,
diesen Mafia-Begriff von Mafia-ähnlichen italienischen
Verbrechensorganisationen zu unterscheiden. W. Raith etwa differenzierte 1977
die Mafia sizilianischer Herkunft von: |
6.1 |
Briganten und Gangstern: |
Beim Briganten handelt es sich meist um ländliche
Bewohner Italiens, die durch Gesetzesübertretungen oder Verstoß gegen die
Sozialmoral aus ihrem gewohnten Umfeld fliehen müssen. Das Untertauchen,
meist in die "Berge" um ihre Heimatdörfer, geschieht also gegen den
eigentlichen Willen der Betroffenen. Der Brigant ist sich aber dennoch seiner
Illegalität bewusst. Da das Brigantenwesen, bei dem
sich mehrere Banditen in den Wäldern zusammenschlossen, im 19. Jahrhundert in
Italien sehr verbreitet war, verlegen einige Historiker dessen Wurzeln bis in
die römische Antike: Die Sklavenunruhen des 2. und 1. vorchristlichen
Jahrhunderts, beispielsweise der berühmte Spartacus-Aufstand, seien Vorläufer
dieser Entwicklung gewesen. Im Unterschied dazu steht der Gangster von Anfang
an außerhalb des Sozialgefüges. Er führt insofern auch keinen
"gerechten" Kampf gegen die Obrigkeit, sondern versucht, bewusst
von seiner Kriminalität zu leben. Gangstertum - aus Amerika kommend - tritt
meist in städtischen Gangs auf, deren Kriminalität bereits sehr früh stark
organisierte Züge aufwies. Briganten und Gangster empfinden sich selbst als
nicht Mafiös, obschon sie im Dienst eines Capo
stehen können. Das Verhältnis zwischen Mafiuso (Gabellutto) und Brigant, der meist bäuerlicher Herkunft
ist, ist aber prinzipiell sehr spannungsgeladen. Dies gilt auch für den
Gangster, der in den italienischen Städten mit dem Mafiuso
konkurriert: Pizzu - Erpressung, Kontrolle der
Absatzmärkte u.Ä. sind heiß umkämpfte "Geschäfte" beider Gruppen. |
6.2 |
Camorra: |
Eine wortgeschichtliche Klärung gelang bisher
nicht. Es werden arabische (kumar - eine Art
Würfelspiel), pseudospanische (chamarra -
Schlägerei) und auch original neapolitanische Wurzeln (morra
- Schwarm, Bande) vermutet. Neben vielen Gemeinsamkeiten zur Mafia zeigen
sich auch deutliche Unterschiede. Die Camorra entstand wahrscheinlich im 19.
Jahrhundert aus einer polizeiähnlichen, d.h. staatsrechtlich anerkannten
Aufseher- und Überwachungsorganisation in mittelitalienischen Städten. Zur
Zeit der Garibaldiestenherrschaft (1860) wurde die
Camorra als offizielle Polizeitruppe im Dienst der (bereits gestürzten)
Bourbonen eingesetzt. Erst allmählich, wie bei der sizilianischen Mafia auch,
wandte sich die Camorra illegalen Praktiken zu. Die Camorra ist also ein städtisches Phänomen. Sie
bildete sofort hierarchische Strukturen aus und behauptete sich von Beginn an
durch Gewaltanwendung. Zunächst richteten sich aber ihre Fehden nicht gegen
den Staat (der kein Rivale war), sondern gegen konkurrierende Famiglie. In den letzten Jahrzehnten beobachtet man
allerdings, dass Camorra und Mafia sich immer ähnlicher werden.:
So nahmen in den 80-er Jahren im Neapolitanischen, dem Hauptgebiet der
Camorra, die Verflechtungen mit der Politik sowie Attentate auf Politiker und
Justizbeamte zu. 1989 verübte die Camorra allein 315 Morde. Auch
"internationale Beziehungen" werden gepflegt, was den Einstieg in
den Rauschgifthandel erleichterte. |
6.3 |
`Ndrangheta: |
Hierbei handelt es sich um eine geheime
Organisation aus Kalabrien. Das Wort `Ndrangheta
bedeutet im kalabresischen Dialekt etwa
"tapferer Mann". Die `Ndrangheta
entstammte meist ländlichen (unter)bäuerlichen Schichten. Sie umfasste Teile
des Brigantismus, sofern sie mit den Gabellutti in Konflikt geriet, und öffnete sich schnell
den sozialrevolutionären Programmen kommunistischer und gewerkschaftlicher Verbände. Was das kriminelle Betätigungsfeld betrifft, ist
die `Ndrangheta der Mafia sehr ähnlich. Bis 1945
kontrollierte und erpresste sie weite Teile des agrarischen Kalabriens. Seit
dem 2. Weltkrieg und der einsetzenden Industrialisierung Unteritaliens
verlegte sie sich auf politische Verflechtungen sowie wirtschaftliche und
Spekulationsgeschäfte. Neben dem Baugewerbe ist vor allem der Tourismus stark
betroffen. P. Arlacchi spricht daher von der `Ndrangheta als der Mafia calabrese,
da sie sich in vielerlei Hinsicht nicht von der sizilianischen Schwester
unterscheide. |
6.4 |
Cosa nostra: |
Die Cosa nostra ist eine
US-amerikanische Sondererscheinung der sizilianischen Mafia. Sie setzte sich
in den Großstädten der USA fest, nachdem mit der großen süditalienischen
Auswandererwelle auch zahlreiche Mafiusi Italien
verlassen hatten: Neben den Verfolgungen durch rivalisierende Cosche spielte vor allem die schlechte wirtschaftliche
Lage eine wichtige Rolle, aus Italien zu emigrieren. Die Cosa nostra kann man am besten als kriminell ausgerichtete
"Firma" großstädtischen Zuschnitts beschreiben. Sie hat mit den
feudalen Voraussetzungen und den "klassischen" Capomafia-Strukturen
nichts mehr gemeinsam. Die amerikanische Ausprägung des Mafia-Gedankens ist
vielmehr am Gangstertum orientiert, welches durch Prunk, brutales Auftreten
und nicht verheimlichte Kriminalität auffällt. Während der Prohibition machten die Mitglieder der
Cosa nostra illegal ungeheuere
Gewinne, und diese Beteiligung am organisierten Verbrechen strahlte auf die
sizilianische "Mutter-Mafia" zurück. Der wirtschaftliche Gedanke
trat mehr und mehr in den Vordergrund. Die Gewinnspannen waren ja im
illegalen Bereich (Schnapsdestillerein,
Alkoholschmuggel) um ein Vielfaches höher als im normalen Wirtschaftsbereich,
so dass die Cosa nostra ein gut ausgebautes
internationales Netz für Alkoholschmuggel errichten konnte. Daran waren auch
sizilianische Mafiusi indirekt beteiligt, etwa beim
Schiffsschmuggel über den Atlantik. Nach 1945 zeigte sich sehr schnell, dass
die einheimischen Capi von ihren italo-amerikanischen Vettern gelernt hatten: Die Illegalisierung war nicht mehr aufzuhalten. |
7. |
… |
Die Entwicklung der Mafia seit 1989: Wie gesehen, ist das Netz der europäischen
Kriminalität nur schwer zu durchschauen. Der Ermittlungsstand erlaubt, nur
die Spitze des berüchtigten Eisberges zu sehen. Russische Experten wie A. Gurow oder L. Timofejew gehen
davon aus, dass die Verflechtungen der kriminellen Organisationen und deren
Machtfülle weit über die der "klassischen" italienischen Mafia
hinaus reicht. Es ist nicht falsch, im Hinblick auf die Phänomene
im Osten Europas von Mafia zu sprechen, da sich viele Ähnlichkeiten zu den
italienischen Verhältnissen nachweisen lassen. Dort freilich war an
Waffenhandel mit Nuklearmaterial oder chemischen Kampfstoffen nicht zu denken
gewesen, und die Verschmelzung legaler und krimineller Geschäfte sowie die
Verbindung mit der Politik hat in Russland eine Intensität erreicht, die den
italienischen Fall noch weit übersteigt. |
7.1 |
Italien: |
Dass sich die Mafia in Italien seit einiger Zeit
relativ ruhig verhält, ist nach Auffassung einiger kritischer Beobachter
nicht Ergebnis einer erfolgreichen Bekämpfung der Mafia durch den Staat.
Vielmehr gibt es Anzeichen, dass sie sich verstärkt dem nicht-italienischen
Raum zugewandt hat. Diese Tendenz hängt eng mit den Umbruchsjahren
1989/90 in den ehemaligen sozialistischen Republiken Osteuropas zusammen. Dort
forderte die offenkundige Schwäche des Staates die Mafia und andere
kriminelle Vereinigungen geradezu heraus: die Ähnlichkeiten zum Sizilien des
19. Jahrhunderts sind vielfach frappierend. Vor allem das Spekulanten- und Immobiliengeschäft
wird für die organisierte Kriminalität als Nische benutzt, um illegale Gelder
reinzuwaschen. Neu ist, dass gerade die italienische Mafia hier pseudolegal
vorgeht. Sie führt ihre Devisen- und Immobilienkäufe über Strohfirmen durch,
was auf Grund der noch nicht angepassten Gesetzeslage in den osteuropäischen
Ländern keine Schwierigkeit darstellt. Diese Form des Kapitalflusses wird
übrigens bereits seit 1985 verstärkt von italienischen Ermittlern beobachtet
(wobei eventuell der Vatikan Verbindungen nach Osteuropa herstellte). Neben der italienischen Mafia, die, wie die
chinesischen Triaden, die japanischen Yakuzas oder
das kolumbianische Drogenkartell Osteuropa überflutet haben, ist in der
letzten Zeit auch von einer russischen "Mafia" die Rede. |
7.2 |
Die Anfänge der "Rote Mafia": |
Seit etwa 1970, als nach der ersten
Entspannungsphase zwischen den Supermächten eine längere Frostperiode folgte
und die sowjetische Planwirtschaft immer weniger die Bedürfnisse der Menschen
befriedigen konnte, entstand das Phänomen der "Schattenwirtschaft":
Nicht die staatlichen und genossenschaftlichen Betriebe sicherten die
Versorgung der Bevölkerung, sondern der wuchernde Schwarzmarkt. Staatliches
Eigentum wanderte mehr und mehr in die Hände von Dunkelmännern. Es entwickelte
sich ein landesübergreifendes Korruptionssystem. Die Schattenwirtschaft
übernahm Aufgaben der Staatswirtschaft und schuf zusätzlich Märkte für
Luxusgüter, Waffen, Drogen und Prostitution. Die Versorgung auf diesen
illegalen Teilmärkten war weitaus besser als in der maroden Planwirtschaft.
Zur Kontrolle ihres Einflussbereiches gründeten die "Schwarzmarktler"
bald eigene Zünfte. Deren Aufgaben veränderten sich mit der Zeit. Zunehmend
traten sie als Garanten illegaler und legaler Geschäfte auf und verlegten
sich auf die lukrative Schutzgelderpressung. Der Staat konnte keinen Einhalt
bieten, da er von diesem inoffiziellen Wirtschaftssystem nichts wusste bzw.
nichts wissen wollte. |
7.3 |
Strukturen der Russischen Mafia: |
Die "Rote Mafia" hat, wie wir gesehen
haben, auffällige Ähnlichkeiten mit der sizilianischen "Schwester":
Sie entstand in einer Zeit staatlicher und wirtschaftlicher Schwäche. Ihre
Anfänge lagen im legalen Sektor, doch wuchs sie schnell in den illegalen
Bereich hinein. Sie verfilzte sich mit der Bürokratie und machte ihre
Geschäfte zunehmend mit speziellen "Dienstleistungen" (Garantie von
Schutz und Ordnung). Neben Gemeinsamkeiten gibt es aber auch erhebliche
Unterschiede zwischen russischer und italienischer Mafia: So ist die
russische primär ethnisch strukturiert, Familienbindungen spielen eine
vergleichsweise geringe Rolle. Ihre Wurzeln liegen nicht in der Krise des
Feudalismus, sondern im Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaft.
Ihre Gewinne schöpfte sie nicht aus der Verpachtung von Land an Bauern,
sondern aus dem Handel mit regulären Gütern wie Maschinenteilen und Weizen.
Letzteres war übrigens auf Grund der vielen Missernten in den 70-er Jahren
u.Ä. erst lukrativ. |
7.4 |
Aufbau der "Brigaden": |
Brigaden nennen sich die Moskauer Banden, die
mittlerweile Drogengeschäfte, Prostitution, Glücksspiel und Waffenhandel
kontrollieren und diese auch in den Westen "exportiert" haben.
Deutschland als zentraleuropäisches Land ist hierbei erste Anlaufstelle. Die
ethnische Struktur der Banden zeigt sich darin, dass einzelne Banden jeweils
eine Sparte der Kriminalität beherrschen, was brutalen Konkurrenzkampf
natürlich nicht ausschließt: Serben, Kroaten, Bosnier dominieren den
osteuropäischen Drogenhandel, die Routen kontrollieren meist Tschechen.
Jüdische Russen verdingen sich als Hehler von Kraftwagen, die polnische
Autoschieber im Westen zusammengeklaut haben. Die Russen profitieren
hauptsächlich von der Prostitution und der Erpressung von Schutzgeldern,
während sich Bulgaren und Georgier um das Glücksspiel streiten, ähnlich wie Dagistaner und Ossetier um das
Monopol im Straßenraub. Allerdings sollte man sich vor Verallgemeinerungen
hüten, die Banden sind nicht immer ethnisch sauber zu trennen und es gibt
auch keine gesicherten "Monopole" in der Kriminalität. |
7.5 |
Abschließende Bemerkung: |
Die größte bekannte kriminelle Gruppe, die Tschetsche, ist eine solche Ausnahme von der Regel und
nicht ethnisch aufgebaut. Von anderen Organisationen, die es wohl bereits
unter Stalin gab, kennen wir oft nur den Namen. Sie heißen etwa Dolgoprodnaya oder Ingoschy. |
|
... |
Forschungsdebatten: |
8.1 |
Forschungs- ansätze: |
Gerade am Beispiel der Mafia zeigt sich deutlich,
wie unterschiedlich die Fachdisziplinen ein Phänomen analysieren: a) Kriminologischer Ansatz. Da die Mafia einen maßgeblichen Faktor der
internationalen Kriminalität darstellt, versuchen Autoren aus der Polizeiarbeit
und der Strafverfolgung, die daraus erwachsenden Probleme für eine effektive
Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu beschreiben. Diese Arbeiten
greifen nur sehr knapp historische Perspektiven auf, im Vordergrund stehen
die aktuellen Entwicklungen: Verflechtungen, Wirkungen und Strategien der
Mafia und auch anderer krimineller Gruppierungen. Das kriminologische
Schrifttum dient so einem Informationsaustausch der mit organisierter
Kriminalität beschäftigten Beamten. b) Soziologischer Ansatz Hier wird versucht, die Mafia als Teil des
süditalienischen Sozialgefüges zu beschreiben. Familien- oder
gruppensoziologische Fragestellungen sollen das Phänomen der Mafia begreifbar
machen. Es werden vornehmlich die Bedingungsfaktoren für die Herausbildung
der Cosche oder die sozialen Voraussetzungen für
ihre Weiterentwicklung untersucht. Strafrechtstheoretische oder
kriminalistische Überlegungen bleiben weitgehend ausgeklammert, wohingegen
psychologische Aspekte sehr wohl berücksichtigt werden (etwa im Zusammenhang
mit der Omert und ihren Auswirkungen). Die Mafia
ist - soziologisch ausgedrückt - integraler Bestandteil der italienischen
Gesellschaft. c) Begriffsgeschichtlicher Ansatz Er leitet den Namen Mafia etymologisch, also
wortgeschichtlich, her und versucht den Ursprung der Mafia zu erschließen. So
deuten manche Forscher den Namen M.A.F.I.A. als Erkennungswort aufständischer
Sizilianer gegen die Herrschaft der französischen Anjou im 13. Jahrhundert (Morte ai francesi, Italia anela: Tod den Franzosen, keucht Italien; dies ist nur
eines der unzähligen Beispiele, die man sich ausdenkt, um nachträglich Sinn
in eine obskure "Geheimgesellschaft" zu bringen). Meist weiten sich
begriffsgeschichtliche Darstellungen zu soziologisch-deskriptiven aus, so
etwa in den meisten Lexika-Artikeln. d) Sozialgeschichtlicher Ansatz Er geht auf sozialwissenschaftliche
Fragestellungen zurück (s. Punkt b). Sein Hauptschwerpunkt liegt aber auf der
historischen Betrachtung. Die Mafia wird in ihren geschichtlichen Entstehungsbedingungen
erforscht und zu mentalitäts-, wirtschafts-, und sozialgeschichtlichen
Phänomenen des Siziliens des 19. Jahrhunderts in Beziehung gesetzt. Die
Einordnung der Mafia in die süditalienische Feudalgesellschaft, das Pächterwesen und die Ineffektivität der staatlichen
Gewalt dienen als allgemeiner Rahmen, um das Problem in seiner Komplexität zu
erfassen. E. J. Hobsbawms "Primitive Rebels" wäre dieser Gattung ebenso zuzuordnen wie H.
Hess? "Klassiker" über die Mafia. |
8.3 |
... |
Mafia, Staat und Bauernschaft: |
8.4 |
... |
Organisation der Mafia: |
8.5 |
... |
Begriffskontroversen: |
|
Kurz- chronologie: |
19. Jahrhundert (Anfang?): Beginn des Aufstiegs
der Gabellutti durch Umschichtungsprozesse im
sizilianischen Feudalsystem. Die Mafia als private Selbsthilfe -
"Organisation" gegen den Staat schält sich langsam aus dem
Steuerpächter-System heraus. |
|
...1860 - 1930 |
Zeit der "klassischen" Mafia mit
traditionellen sizilianischen subkulturellen Merkmalen. Agrarischer
Schwerpunkt ohne Bewusstsein von Illegalität: Selbstbezeichnung: Uomini d´onore. |
|
...1933 - 1943 |
Unterdrückung während des italienischen
Faschismus. Ein Ausmerzen der Mafia gelingt aber nicht, wie sich bei der
Landung der Alliierten auf Sizilien zeigt: die Mafia übernimmt
Geheimdienstaufgaben für die Alliierten. |
|
...1945 - 1982 |
Phase der "Nuova mafia", die sich durch den Kontakt mit italo-amerikanischen Mitgliedern der Cosa nostra illegalisiert und
urbanisiert. Drogenschmuggel und politische Verfilzung tritt neben die
Schutzgelderpressung der "klassischen Phase". |
|
... ab 1982 |
Erste Fahndungserfolge des italienischen Staates,
die die Mafia zunächst mit einer Terrorwelle beantwortet, der berühmte
Mafia-Jäger zum Opfer fallen. |
|
...seit 1985/89 |
Vermehrtes Ausgreifen der Mafia (und anderer
illegaler Organisationen) in den Ost-Block. Übergang zur Geldwäsche durch
Immobilien- und Spekulationsgeschäften. |
|
Literatur und www-links: |
Literatur: Pino Arlacchi, Mafia, contadini e latifondo nalla Calabria tradizionale, Bologna 1980 -/- Anton Blok, Die Mafia in einem sizilianischen Dorf
1860-1960. Eine Studie über
gewalttätige bäuerlicher Unternehmer, 1981 Renato Candida, Questa Mafia, 1960 -/- Konrad Freiberg u. Berndt Georg, Das
Mafia-Syndrom: organisierte Kriminalitt: Geschichte
- Verbrechen - Bekämpfung, 1992 Stanislaw Goworuchin,
Moskau und die Mafia: Die große kriminelle Revolution, 1996 -/- Martin Hammer, Probleme der sizilianischen
Agrarstruktur, 1965 -/- Henner Hess, Mafia: Ursprung, Macht und Mythos,
1993 -/- Eric J. Hobsbawm,
Sozialrebellen, 1962 -/- Norman Lewis, Die ehrenwerte Gesellschaft, 1965
-/- Michele Pantaleone, Mafia e politica, 1962 -/- Werner Raith, Die ehrenwerte Firma. Der Weg der
italienischen Mafia vom "Paten" zur Industrie, 1983 - /- - dto - Die neue Macht
der Kartelle, 1994 -/- Ed Reid, Mafia, 1964 -/- Alexander Stille, Die Richter. Der Tod, die Mafia
und die italienische Republik, 1997 -/- Rolf Uesseler, Mafia.
Mythos, Macht, Moral, 1987 -/-- dto - Stichwort
Mafia, 1994. www-links: Das Angebot ist insgesamt ziemlich rar, es
scheinen halbernste, dem Infotainment nahestehende Pages zu dominieren (etwa
die "inoffizielle Homepage der New Yorker Mafia" o.Ä.), dennoch
eine Auswahl: http://www.ex.ac.uk/~rdavies/arian/scandals.html#mafia(Übersicht
über Skandale, u.a. auch die der Mafia) http://www.alternatives.com/crime/crimenu.htm(Informationen
über das organisierte Verbrechen) http://www.well.com/user/mod79/gangsters/history.html(eine
kurze Geschichte der Mafia und der Cosa nostra) |
|
Glossar: |
........ |
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Giulio Andreotti |
Italienischer Politiker (*1919). Ab 1954
Ministerämter in christdemokratischen Kabinetten sowie 1970, 1972/3, 1976/9
und 1989/92 italienischer Ministerpräsident. Seit 1993 laufen
Ermittlungsverfahren gegen Andreotti, in denen er der engen Verbindung zur
Mafia beschuldigt wird. So fällt im Zusammenhang mit verschiedenen
Finanzaktionen und politischen Skandalen immer wieder sein Name: etwa beim
Zusammenbruch der Privatbank Banco Ambrosiano oder der "Affäre Sindona",
eines korrupten Großbankiers. Erst 1995 wurde der Mafia-Prozess eröffnet,
obschon bereits seit 15 Jahren Vorwürfe wegen Korruptionsverdacht auf
Andreotti lasten. Inzwischen ist Andreotti in Italien zum Synonym für den bestechbahren Politiker geworden, denn auch seine
Kontakte zu anderen geheimbündnerischen Organisationen (Propaganda 2, Orden
vom Heiligen Grabe von Jerusalem) scheinen auf eine ungeahnt enge Verfilzung
italienischer Politiker mit der Kriminalität hinzudeuten. Privat schreibt
Andreotti übrigens mit Vorliebe fiktive Kriminal- und Verschwörungsromane |
… |
Anti-Mafia- Gesetz (1982) |
Regelte die bloße Zugehörigkeit zur Mafia als
ausreichenden Straftatbestand. Das Gesetz erfuhr in den 80-er Jahren
zahlreiche Verschärfungen, die es erlaubten, gezielter hinter die
"legale Fassade" der Mafia zu blicken. Auf Grund dieses Gesetzes
und der Anwendung der sogenannten Kronzeugenregelung (ein geständiger Mafiuso erhält Strafermäßigung) konnten in den späten
80-er Jahren viele Mafia-Prozesse eröffnet und auch abgeschlossen werden.
Seit dem "maxiprocesso" (1986/87 in
Palermo; 1990 Berufungsverfahren mit zum Teil erheblichen Strafmilderungen)
sitzen mehrere führende api der Mafia hinter Gitter. |
… |
Anti-Mafia- Kommission: |
Anfang der 60-er Jahre gegründete
"Einsatzgruppe" zur intensiven Strafverfolgung mafiöser
Verbrechen. Die Kommission setzt sich aus erfahrenen Beamten von Polizei und
Staatsanwaltschaft zusammen. Spektakuläre Fahndungserfolge hat die Kommission
seit Mitte der 80-er Jahre aufgrund der neuen Gesetzgebung, besserer
materieller Ausstattung und der engen Kooperation verschiedener Dezernate. |
… |
Chinesische Triaden: |
Chinesische Geheimbruderschaft, die eventuell
schon um die Zeitenwende existierte. Sie entstand wohl aus sozial und
wirtschaftlich deklassierten Schichten wie Bauern, Kulis, Schmugglern oder
auch Mönchen, die sich gegen die hierarchische Gliederung der Gesellschaft
auflehnten. Durch ausgeklügelte Geheimsprachen, spezielle Symbole und
Fingercodes erkennen sich die Mitglieder verschiedener Bünde untereinander.
Die europäische Kolonisation und die anschließenden Bürgerkriegswirren
trieben die Triaden in eine Reihe illegaler Geschäftspraktiken, z.B.
Glücksspiel oder Opiumschmuggel. Zentrum der Triaden ist heute Hongkong. Dort
kommt es auch zu blutigen Bandenkriegen mit für europäische Verhältnisse
ungewöhnlichen Formen der Gewalt (z.B. werden Gefangenen die Daumen
abgeschnitten und diese der gegnerischen Triade zugeschickt). |
… |
DC (Politische Partei) |
Democrazia Cristiana. Koalitionsbewegung im
Nachkriegsitalien, welches christdemokratische Gruppierungen umfasste. Vor
allem wegen der kontinuierlichen Beteiligung an Regierungen war die DC ein
bevorzugtes "Objekt der Begierde" für die Mafia. Mittels
Schmiergeldzahlungen und Erpressungen begann eine derart intensive Verflechtung
von Politik und Mafia, dass eine Auflösung dieses Netzes bis heute nicht
gelungen ist. Zahlreiche Korruptionsprozesse, wie der gegen G. Andreotti,
belegen dies. Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der DC zeigte sich in
den 80er Jahren, als der Stimmenanteil der DC bei Wahlen auf 35 % sank.
Gleichzeitig schrumpfte ihre Mitgliederzahl auf unter eine Million (1991). |
… |
Giovanne Falcone und Paolo Borsellino |
Sie sind die berühmtesten Anti-Mafia-Anwälte
Italiens. Beide Untersuchungsrichter kamen 1992 durch Attentate der Mafia ums
Leben, nachdem klar geworden war, dass sie auf Grund ihrer Indizien und
Sachkenntnisse die Mafia im Innersten bedrohten. Ihre Rolle als
unbestechliche Mafia-Jäger machte sie zu Idolen der Italiener. Deswegen war
ihre Ermordung ein Fanal, auf das die Bevölkerung noch entschlossener
reagierte. |
… |
French Connection: |
Internationale Verbrechensorganisation, die sich
größtenteils aus israelischen, kubanischen, libanesischen und türkischen
Gruppen zusammensetzte und über Südfrankreich den europäischen Markt mit
Heroin versorgte. Der Stoff gelangte von Asien und dem Nahen Osten nach
Marseille, von wo aus er in ganz Europa verteilt wurde. Die French Connection
spielt heute dank der Fahndungserfolge der Interpol in der europäischen
Kriminalität keine Rolle mehr, an ihre Stelle trat die Mafia mit ihren
internationalen Verbindungen. |
|
Italienische National- staats- gründung: |
Unter der Federführung des nationalliberalen
Politikers C. Cavour wurde das in viele Kleinstaaten zersplitterte Italien
1859/60 geeint. Der konservative König Emmanuel (von Sardinien-Piemont)
betrieb daraufhin eine anstaltsstaatliche Politik, welche die
sozialreformerische Bewegung Garibaldis
desavouierte: Dieser hatte zuvor viele süditalienische Bauern für eine
Einigung Italiens mobilisieren können, indem er ihnen eine Emanzipation aus
feudaler Abhängigkeit versprach. Daraus wurde freilich nichts. Fortan hatte
dieser Staat im Süden kein Standbein, was den Aufstieg der Gabellutti erheblich erleichterte. |
… |
Japanische Yakuza: |
Ähnlich der Mafia begreifen sich japanische Yakuza-Clans als integralen Bestandteil der
Sozialordnung. Sie sind seit dem 16. Jahrhundert bezeugt und lehnen sich
stark an Samurai-Rituale an. Yakuza-Mitglieder
boten im alten japanischen Feudalsystem Schutz gegen herumziehende
Räuberbanden, sie kontrollierten Spielhöllen und organisierten sich wie
japanische Familien. Strenge Loyalität gegenüber den Clan-Führern zeigt, dass
der Aufbau der Yakuza traditionellen japanischen
Werten folgt. Geheimsprache, Begrüßungsrituale und Ganzkörpertätowierungen
sind Erkennungsmerkmale ihrer Mitglieder bis heute. Neben Mädchenhandel und
Glücksspiel im ostasiatischen Raum betreiben die Yakuza-Clans
vor allem den Amphetamin-Handel nach Europa. |
… |
Klientelen: |
Schutz- und Pflichtverhältnis zwischen Plebs und
Patriziat in der antiken römischen Republik. Der Cliens,
ein juristisch zwar freier, wirtschaftlich und sozial aber abhängiger Bürger
Roms, begab sich unter den Schutz eines Patronus.
Dieser vertrat ihn vor Gericht, wofür der Cliens
bestimmte Aufgaben für den Patronus erledigen
musste (Botengänge, Gartenarbeit a.Ä.). Der
römische Staat war innerhalb dieser privatrechtlichen Vereinbarung
ausgespart, musste mitunter auch die Beschränkung seiner Macht und Befugnisse
hinnehmen, weil die Klientelverbindungen auch die
politische Willensbildung mit beeinflussten, etwa bei der Wahl der Magistrate. |
… |
Kolumbia- nisches Drogenkartell: |
In dem vom Bürgerkrieg geprägten Kolumbien konnte
sich seit Ende der 80er Jahre die mit Drogenanbau und -handel befasste
Kriminalität erheblich in das politische Geschehen einschalten. Die
Drogenkartelle hatten den Kokainvertrieb monopolisiert und versuchten, im
"Drogenkrieg" den Staat niederzuringen. Auch interne
Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Kartellen (Medellin
contra Kali) verliefen sehr blutig, führten aber zugleich zur Schwächung
ihrer Macht. Inzwischen ist der bewaffnete Kampf gegen den Staat für beendet
erklärt worden. Die Möglichkeiten der Kartelle in Wirtschaft und Politik
scheinen aber ungebrochen, wenngleich namhafte Bosse dingfest gemacht wurden. |
… |
Maresca, "Pupetta": |
Eigentlich Assunta Maresca. Sie
erschoss den mutmaßlichen Mörder ihres Mannes, eines neapolitanischen Mafiuso. Als "rächende Witwe" berühmt geworden,
organisierte sie aus dem Gefängnis heraus die Geschäfte ihres Mannes.
Zusammen mit anderen Mafiusi gründete sie die Nuova-famiglia, die gegenüber dem alten Einflussbereich,
den Pupettas Mann kontrollierte, erheblich an Macht
gewann. Erneut hinter Gittern, regelte sie den Umbau der Organisation mit
harter Hand. |
|
Omertà: |
(Sizilianisch) "Schweigepflicht". Ein
Mitglied der sizilianischen Mafia verpflichtet sich dazu, auch unter
Todesgefahr keine Geheimnisse über Aufbau, Mitglieder und Geschäfte seiner Cosca preiszugeben. Diese Vereinbarung wirkte in der
Regel auf Grund der sozialpsychologischen und mentalen Bindungen gegenüber
dem Capo. Verstießen Affiliati gegen diesen
Ehrenkodex, wurden sie meist umgebracht, auch dann, wenn sie von der Polizei
rund um die Uhr beschützt wurden. |
… |
Uomini d´onore: |
Selbstbezeichnung der Gabellutti
im 19. Jahrhundert. Ihr Selbstverständnis als "ehrenwerte Männer"
bezeugt deutlich, dass sie ihr Vorgehen gegen den Staat als legitim und
gerecht einstuften. Die Bezeichnung ist somit zugleich wichtiges
sozialgeschichtliches Indiz, das die Motivation der
Mafiusi erklären kann. Die Mafia als illegal und
kriminell zu bezeichnen, wäre aus dem Blickwinkel der Uomini
d´onore verfehlt. |
|
Prohibition: |
"Verbot" - US-amerikanisches Gesetz,
welches Herstellung und Vertrieb von Alkohol unterbinden sollte. Das Gesetz
war zwischen 1919 und 1933 gültig. Durch die Illegalisierung
des Alkoholhandels wuchs in dieser Branche die Kriminalität ins
Astronomische. Für die Cosa nostra bedeutete der
Einstieg in den Alkoholschmuggel, den sie "transatlantisch"
betrieb, der Aufstieg in die organisierte Kriminalität der USA. Das
ursprüngliche Ziel des US-Kongresses, den Alkoholkonsum besser zu
kontrollieren, wurde verfehlt. Präsident Theodore Roosevelt hatte übrigens
gegen den Kongress-Beschluss gestimmt. |
… |
Vendetta: |
(Sizilianisch) "Blutrache". Sie ist
ein traditionelles Sozialritual auf Sizilien. Sie erlaubt es, abseits des
offiziellen Strafrechts privat Rache zu nehmen. Es trifft in der Regel
Mitglieder solcher Familien, welche sich der Übertretung eines
Gewohnheitsrechts schuldig gemacht haben. Darüber entscheidet kein
offizielles Gericht, sondern allein das "Gespür" der Betroffenen.
Die Vendetta spielt bis heute eine ernstzunehmende Rolle in Süditalien, da
zahlreiche Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Cosche
eskalieren und dabei auch Frauen und Kinder nicht mehr verschont werden, was
früher einen Verstoß gegen den subkulturellen Kodex der Sizilianer bedeutet
hätte. |
|
Autoren: |
Wir danken den Uni`s
Saarland und Würzburg für die freundliche Überlassung |
|
Bruni und Benno
Schilde |
Ing.-Gemeinschaft B W R & Partner D - 84141 Landshut /
Geisenhausen Tel. /
FAX: +49 - (0) 8743 – 1070 e-mail: Rumpf2000@gmx.net |
Mit
den Billigtelefonnummern wie beispielsweise 0 10 24 oder 0 10 40 vor der
Vorwahl kostet Sie die Minute 24 Std./Tag noch nicht einmal 4 ct. - auch nach Italien.
Bitte
länger läuten lassen - Tel. - FAX - Umschaltung ist sehr langsam.